Stärkere Leistung dank grösserem Wohlbefinden

Okt 20, 2024 | International

Das Women’s Team setzt neuerdings auf zyklusorientiertes Training. Damit geht der EVZ neue Wege im Eishockey.

Die Leistungsfähigkeit jeder Sportlerin ist individuell. Dies nicht zuletzt wegen ihres Monatszyklus. Im EVZ Women’s Team wird dieser nun stärker berücksichtigt. Der Off-Ice-Coach Marco Burch hat im August das zyklusorientierte Training eingeführt, dies auf der Grundlage der Erkenntnisse von Kevin Onken, Physiotherapeut des National-League-Teams. Er schrieb seine Masterarbeit im Studium Exercise and Sports Physiotherapy zu diesem Thema.

Die Teilnahme am zyklusorientierten Training ist freiwillig. Rund die Hälfte des Teams hat sich laut Marco Burch für die Testgruppe gemeldet. Die Spielerinnen erfassen nun ihr Befinden sowie das Empfinden der Trainingsintensität täglich in einer App. Mittels dieser Daten sollen sie einen individuellen Trainingsplan erhalten, der sich der jeweiligen Menstruationsphase anpasst. So kann es beispielsweise sinnvoll sein, im Krafttraining an manchen Tagen weniger Gewicht zu stemmen, um dadurch auf längere Sicht Energie zu sparen.

Im Eishockey nimmt der EVZ damit eine Pionierrolle ein. Kevin Onken hat während der Recherche für seine Masterarbeit kaum Informationen aus dieser Sportart dazu gefunden, sagt er und ergänzt: «Ganz im Gegensatz zum Fussball. In der Frauen-Nati wird das Training schon seit vier Jahren auf den Zyklus ausgerichtet.» Marco Burch hat sich mit Melanie Pauli, Athletiktrainerin der Schweizer Fussballerinnen darüber unterhalten. Denn auch er betritt damit Neuland. «Im Unterschied zum Fussball gibt es im Eishockey in der Regel viel mehr Spiele pro Woche, also einen häufiger wechselnden Rhythmus zwischen Training und Matches. Das ist schwieriger zu planen und deshalb eine besondere Herausforderung», sagt Kevin Onken.

Das Thema bedingt gegenseitiges Vertrauen, zumal jede Frau auf ihre Weise damit umgeht. Als Männer können Marco Burch und Kevin Onken den Zyklus naturgemäss nicht nachvollziehen. Wie begegnen sie dieser Situation? «Indem wir keine grosse Sache daraus gemacht haben», sagt Marco Burch. «Wir behandeln Menstruationsschmerzen im Trainingsalltag gleich wie beispielsweise Knieschmerzen. Ausserdem hilft unsere professionelle Neugier dabei, erst gar kein Tabu aufkommen zu lassen.»

Kevin Onken bestätigt diesen Eindruck. Als er sich im vergangenen Jahr erstmals mit Spielerinnen darüber unterhalten hatte, habe er bei diesen «eine gewisse Scheue» gespürt. Diese sei mittlerweile einer Entspannung gewichen. «Im Trainingslager in Österreich waren die Spielerinnen sehr aufgeschlossen – manche machen sogar Spässchen darüber. Letztlich ist der Monatszyklus ja einfach ein physiologischer Fakt.»

Es ist an den Coaches, Überzeugungsarbeit zu leisten für diesen Trainingsansatz. «Es geht darum, den Wellbeing-Moment in den Vordergrund zu rücken. Wenn die Spielerinnen merken, dass es okay ist, phasenweise ein bisschen vom Gas zu gehen, damit ihre Performance am Ende besser wird, dann wächst das Vertrauen in diese Methode», erläutert Marco Burch. Kevin Onken hofft, dass die Erkenntnisse der Testgruppe die andere Teamhälfte davon überzeugt, auch auf das zyklusorientierte Training zu setzen. Erste Rückmeldungen deuteten darauf hin, dass sie auf gutem Weg seien.

Neben der Leistung soll sich dieser Ansatz auch auf die Verletzungsanfälligkeit auswirken. «Wir sind überzeugt davon, dass die Spielerinnen durch angepasstes Training einem geringeren Verletzungsrisiko ausgesetzt sind», sagt Marco Burch. Erkenntnisse im Fussball zeigten, dass Bänderverletzung häufiger auftreten können, wenn die Trainingsintensität nicht auf die Zyklusphase Rücksicht nimmt. «Durch die bessere Stabilisierung des Systems, beispielsweise beim Warm-up, ist die Gefahr von Muskel- und Bänderverletzungen geringer», ist Marco Burch überzeugt.

Er ist neben seiner Arbeit in der EVZ Organisation als Coach in seinem eigenen Studio in Rotkreuz tätig. Kann er sich vorstellen, das zyklusorientierte Training auch dort einzuführen? «Es ist ein hohes Mass an gegenseitigem Vertrauen sowie ein tägliches Tracking vonnöten. Ob das im Breitensport möglich ist, kann ich jetzt noch nicht sagen. Doch es könnte durchaus irgendwann zur Option werden, denn dieses Thema birgt im Sport allgemein ein grosses Potenzial.»

Dieser Artikel erschien in der aktuellen Ausgabe des EISZEIT Sport.

Bericht: PM EV Zug
Foto: EV Zug

 

 

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